Medikamentöse Notfallbehandlungen in der Ersten Hilfe bei epileptischen Anfällen

Von Prof. Dr. med. Martin Kurthen

Warum kann bei epileptischen Anfällen der Einsatz von Notfallmedikamenten in der Ersten Hilfe sinnvoll sein?
Die meisten epileptischen Anfälle enden spontan, also ohne Ergreifen von Massnahmen, innerhalb weniger Minuten. In diesem kurzen Zeitraum kann aber noch keine Wirkung eines Notfallmedikamentes zur Anfallsunterbrechung erwartet werden, es sei denn, die Gabe erfolgt intravenös, also per Spritze, direkt in ein Blutgefäss. Eine solche Anwendung müsste aber durch einen Arzt erfolgen, während Empfehlungen zur Notfallbehandlung auch durch nichtärztliches Personal oder durch Laien umsetzbar sein sollten. Die Gabe eines Notfallmedikamentes im Rahmen der Ersten Hilfe kann aber dennoch sinnvoll sein. Manche Anfälle dauern eben doch länger als wenige Minuten, oder sie treten in Serie auf (siehe unten). Verlängerte oder serielle Anfälle können zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Zudem besteht im Anfall eine Beeinträchtigung der Handlungskontrolle, also auch ein erhöhtes Unfall- beziehungsweise Verletzungsrisiko. Somit sollte versucht werden, möglicherweise länger dauernde Anfälle oder Anfallsserien zu unterbrechen, auch wenn der Wirkungseintritt des Notfallmedikamentes verzögert ist im Vergleich zu der Gabe einer intravenösen Spritze durch den Arzt. 



In welchen Situationen sollten also Medikamente eingesetzt werden? 
Status epilepticus
Wenn ein generalisierter tonisch-klonischer (grosser) epileptischer Anfall nicht innerhalb von spätestens 5 Minuten endet, spricht man von einem Status epilepticus. Dieser stellt eine lebensgefährliche Notfallsituation dar, in der – von seltenen Ausnahmen abgesehen – eine sofortige Anforderung eines Rettungsarztes erfolgen sollte, um den Patienten unverzüglich in ein Spital bringen zu lassen. Die Angabe der Dauer des Anfalls bezieht sich dabei streng auf die Anfallszeichen als solche (also rhythmische Zuckungen an Armen und Beinen), nicht auf die Phase nach dem Ende der Zuckungen, wenn noch Bewusstseinsstörungen oder Störungen im Verhalten gegeben sein können (Verwirrtheit, Unruhe, unkoordinierte Bewegungen). Zur Erstbehandlung vor Ort sollte mit Erreichen dieser 5-Minuten-Grenze, also noch vor Eintreffen des Rettungsarztes, ein Notfallmedikament gegeben werden, möglichst eines mit schnellem Wirkungseintritt (siehe unten). Da die meisten Anfälle diese Art nur 1-3 Minuten andauern, wird oft sogar schon nach dreiminütiger Anfallsdauer die Gabe des Notfallmedikamentes empfohlen. Auch «kleine» Anfälle (fokale Anfälle, oder Absencen) können untypisch lange andauern und somit einen Status epilepticus bilden. In diesem Falle sollte ein sofortiger Kontakt zu dem behandelnden Arzt hergestellt werden, das weitere Vorgehen ist individuell abzusprechen. Meist wird ebenfalls schon vor Ort ein Notfallmedikament gegeben, der Zeitpunkt der Gabe nach einem solchen «kleinen» Anfall ist für jeden Patienten gesondert festzulegen (meist zwischen 5 und 15 Minuten nach Beginn des Anfalls, je nach Ausmass der Beeinträchtigung durch das Anfallsgeschehen). 


Serielle Anfälle. 
Manchmal treten Anfälle in Serie auf. Wenn zwischen den einzelnen Anfällen keine vollständige Erholung des Patienten erfolgt, spricht man auch von einem Status epilepticus, andernfalls von einer Anfallsserie. Um eine solche Serie beziehungsweise einen solchen «Status» zu unterbrechen, ist in den meisten Fällen ebenfalls die Gabe eines Notfallmedikamentes notwendig. Je nach individuellem Krankheitshintergrund und zeitlichem Abstand zwischen den einzelnen Anfällen können auch Präparate mit etwas verzögertem Wirkungseintritt zum Einsatz kommen (siehe unten). 


Weitere, individuelle Einsatzsituationen
Der Einsatz der Medikamente sollte immer der individuellen Krankheitssituation angepasst werden. Wenn eine Patientin beispielsweise bekanntermassen stets serielle, niemals nur einzelne Anfälle beklagt, kann das Notfallmedikament auch unmittelbar nach dem ersten Ereignis gegeben werden, um solche Serien zu unterbinden. Wenn umgekehrt bei einem Patienten ein einzelner «kleiner» Anfall meistens für fünf bis sieben Minuten andauert und dann ohne wesentliche Beeinträchtigung des Patienten von selbst endet, kann man die Gabe des Notfallmedikamentes für den Fall einer individuell ungewöhnlichen Anfallsdauer von mehr als sieben Minuten reservieren. 


Wann sollte welches Medikament eingesetzt werden?
Die heute gängigen Notfallmedikamente zur Anfallsunterbrechung beziehungsweise -verhinderung gehören sämtlich zur Stoffgruppe der sogenannten Benzodiazepine, unterscheiden sich aber hinsichtlich des Zeitverlaufs ihrer Wirkung, und teils auch hinsichtlich ihrer sonstigen Wirkungen und Nebenwirkungen. Die ganz überwiegend eingesetzten Wirkstoffe sind Lorazepam, Midazolam, Diazepam, Clonazepam und Clobazam (siehe Tabelle 1).


Wirkstoff Handelsnamen
Clobazam Urbanyl
Clonazepam     Rivotril
Diazepam Valium, Diazepam
Lorazepam Temesta, Lorasifar
Midazolam

Dormicum, Midazolam, Buccolam 

Tabelle 1: Handelsnamen der für die Epilepsiebehandlung gängigsten Benzodiazepine.


Wie schnell, wie stark und wie lange ein Medikament wirkt, hängt unter anderem von den chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs selbst ab, aber auch von der Weise des Einbringens (Applikation) in den Körper – und damit in den Blutkreislauf und in das Gehirn (siehe Tabelle 2).


Wirkstoff

Zeit bis Wirkungs-

eintritt

Zeit bis

Wirkungs-maximum


Halbwerts-zeit        

Zulassungsstatus

Midazolam i.n.  

? 10-15 min. 1.5-3.5 h Zur Epilepsiebehandlung nicht zugelassen

Midazolam i.m.

? 10-45 min. 1.5-3.5 h Zur Epilepsiebehandlung nicht zugelassen
Midazolam buccal       ? 15-90 min. 1.5-3.5 h Zugelassen von 6 Monaten bis 18 Jahren

Diazepam

rektal

3-7 min. 30-90 min. 20-60 h Ohne Einschränkung zur Epilepsiebehandlung
Lorazepam buccal 20 min. 2-3 h 8-20 h Zur Epilepsiebehandlung nicht zugelassen

Clobazam

oral     

30-240 min. ca. 35/80 h Zur add-on-Therapie bei Epilepsie

Lorazepam i.v.

1-3 min. ? 8-20 h Zur Epilepsiebehandlung nicht zugelassen

Clonazepam

oral              

? 1-4 h 30-40 h
Ohne Einschränkung zur Epilepsiebehandlung

Tabelle 2: Eigenschaften der verschiedenen Benzodiazepine. 
Abkürzungen: i.n. für intranasal, i.m. für intramuskulär, i.v. für intravenös. Die Halbwertszeit ist die Zeit bis zum Abfall der Blutkonzentration auf die Hälfte des Maximums. Bei Clobazam sind zwei Halbwertszeiten angegeben, die kürzere für den Wirkstoff Clobazam selbst, die längere für sein Stoffwechselprodukt Desmethyl-Clobazam, das ebenfalls antikonvulsiv, also gegen Anfälle, wirksam ist. 


Die Wirkstoffe unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Eignung für verschiedene Applikationsformen. Leider sind all diese Vorgänge wissenschaftlich noch zu wenig erforscht, so dass Angaben zum Beispiel über den Beginn des Wirkungseintritts solcher Substanzen meist sehr vage bleiben. Auch sind manche definitiv wirksame Präparate nicht zur Epilepsiebehandlung zugelassen, müssen also vom Arzt ausserhalb der Zulassung («off-label») verschrieben (und oft dann auch vom Patienten selbst bezahlt) werden. Die wichtigsten Einnahmewege, mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen (siehe Tabelle 3), sind: das Schlucken des Präparates (oral), das Einlegen in die Mundhöhle beziehungsweise innen an die Wange (buccal), das Einbringen in den Enddarm (rektal), die Gabe als Aerosol in die Nase (intranasal), das Spritzen in einen Muskel (intramuskulär), und das Spritzen in ein venöses Blutgefäss (intravenös). Im Einzelnen: 


Wirkstoff Vorteile Nachteile
Midazolam i.n.

Schneller Wirkungseintritt

Praktikabilität                            

Kooperation nicht erforderlich 

Applikation etwas unsicher

Eventuell lokale Beschwerden

Midazolam i.m.

Schneller Wirkungseintritt

Kooperation nicht erforderlich  

Kompetenz für i.m.-Injektion erforderlich

Erschwerte Applikationsbedingungen

Midazolam buccal     Schneller Wirkungseintritt Applikation unsicher
Diazepam rektal

Schneller Wirkungseintritt

Sichere Applikation

Umständliche Applikation

Verletzung der Intimsphäre

Lorazepam buccal Einfache Applikation

Langsamer Wirkungseintritt

Kooperation erforderlich

Clobazam oral Einfache Applikation

Langsamer Wirkungseintritt

Kooperation erforderlich

Tabelle 3: Vor- und Nachteile einzelner Wirkstoffe und Applikationsformen. 
Abkürzungen: i.n. für intranasal, i.m. für intramuskulär. 


Orale Gabe: 
Da die Patienten in der Notfallsituation, also im Anfall, ein Medikament nicht aktiv und verlässlich schlucken können, sind Verabreichungsformen zu bevorzugen, die auch ohne Mithilfe des Patienten wirksam sind. Eine orale Gabe als Tablette kommt somit allenfalls in Frage bei Anfallsserien, bei denen der Patient sich zwischen den Anfällen ganz oder weitgehend erholt und ein hoher Zeitdruck nicht gegeben ist. Dann kann auch ein relativ später Wirkungseintritt in Kauf genommen werden. In einem solchen Falle käme zum Beispiel der Wirkstoff Clobazam als 10 mg-Tablette in Frage. 

Buccale Gabe: 
Das Einbringen einer löslichen Tablette zum Beispiel innen in die Wangentasche hat den Vorteil, dass der Patient nicht aktiv eine komplette Tablette herunterschlucken muss. Bei Verwendung des handelsüblichen Lorazepam (Dosis 1 mg oder 2.5 mg) muss jedoch der Speichel, in dem der Wirkstoff sich löst, sehr wohl heruntergeschluckt werden, da der Wirkstoff ganz überwiegend nicht über die Schleimhaut der Mundhöhle, sondern erst später im Magen aufgenommen wird. Diese Einnahmeweise ist also nachteilig, wenn zum Beispiel im Anfall Speichel unkontrolliert aus dem Mund läuft, oder wenn eine schnelle Wirkung angestrebt wird (der Wirkungseintritt ist ungefähr gleich wie bei oraler Gabe). Für Kinder von 6 Monaten bis 18 Jahren ist eine flüssige buccale Gabe von Midazolam (Dosis für Jugendliche 10 mg) zugelassen, die auch bei Erwachsenen wirksam sein sollte. Aufgrund der physikalisch-chemischen Eigenschaften des Midazolam wird dieser Wirkstoff überwiegend schon in der Mundhöhle in den Blutkreislauf aufgenommen, daraus resultiert auch ein deutlich schnellerer Wirkungseintritt. Auch bei dieser Einnahmeform sollte aber im Anfall keine Flüssigkeit aus dem Mund laufen. Der farblose flüssige Wirkstoff ist nach Gabe in den Mund nicht mehr von Speichel zu unterscheiden. In der Praxis können somit beträchtliche Unsicherheiten bezüglich der tatsächlichen Aufnahme des Wirkstoffs entstehen. 

Rektale Gabe: 
Das Einbringen eines Wirkstoffs in den Enddarm hat gegenüber der oralen/buccalen Gabe die Nachteile der umständlicheren Applikation (teilweises Entkleiden erforderlich), des Verletzens der Intimsphäre und des sozial kompromittierenden Charakters in öffentlichen Situationen. Andererseits ist das Gelingen der Gabe eines Mikroklistiers (am besten erforscht ist diesbezüglich der Wirkstoff Diazepam, im Handel als Diazepam rectal tubes oder Microclisma, Erstdosis 5 oder 10 mg) für den Ersthelfer leichter zu überprüfen als der Verbleib buccal verabreichter Substanzen im Zielgebiet. Ein weiterer Vorteil ist der schnelle Wirkungseintritt durch Aufnahme der Substanz direkt über die Darmschleimhaut. Im Falle der Anwendung im häuslichen Umfeld spricht somit immer noch vieles für diese, schon seit langem verfügbare Applikationsform.

Intranasale Gabe
Manche Benzodiazepine lassen sich gut für eine Gabe als Nasenspray (Aerosol, das ähnlich wie ein Spray zum Abschwellen der Schleimhaut bei Erkältungen in die Nasenlöcher appliziert wird) aufbereiten. Solche Präparate sind nicht zur Epilepsiebehandlung zugelassen, müssen also vom Arzt bei einer Apotheke zur eigenen Herstellung in Auftrag gegeben werden. Vorteile dieser Anwendung sind die Praktikabilität (auch in öffentlichen Situationen), die Möglichkeit der Verabreichung ohne Mitarbeit des Patienten, und der schnelle Wirkungseintritt bei Verwendung des gängigsten Wirkstoffs Midazolam (Dosis: je ein Hub mit 2.5 mg in jedes Nasenloch), der zügig über die Nasenschleimhaut in den Blutkreislauf übertritt. Hauptnachteil sind mögliche Unsicherheiten bezüglich des Gelingens der Applikation. Wenn im Moment der Anwendung stark durch die Nase ausgeatmet wird, wird das Aerosol gleich wieder aus der Nase herausgedrückt (umgekehrt ist es aber nicht notwendig, dass im Moment der Applikation aktiv durch die Nase eingeatmet wird). Auch kann, vor allem nach längerer Anwendungspause, der erste ausgelöste Hub «leer» sein, weil sich Luft im Austrittsweg befindet. Daher sollte vor der eigentlichen Gabe ein- oder zweimal von der Person weg «vorgesprüht» werden, zur Vergewisserung, dass Aerosol austritt. 

Intramuskuläre Gabe: 
Eine Spritze in die Muskulatur kann durch geschultes nichtärztliches Personal erfolgen. Der Wirkstoff Midazolam (Dosis 5-10mg) zeichnet sich bei dieser Anwendungsweise durch eine weitgehende und schnelle Aufnahme in den Blutkreislauf aus; die intramuskuläre Gabe von Midazolam wird daher sogar für die ärztliche Notfalltherapie empfohlen, wenn ein Zugang zu einem Blutgefäss nicht zur Verfügung steht. 

Intravenöse Gabe: 
Die Gabe als Spritze in ein venöses Blutgefäss bleibt dem Notfallarzt vorbehalten. Der grosse Vorteil dieses Anwendungsweges ist der praktisch sofortige Wirkungseintritt: der Effekt kann schon eine Minute nach Injektion einsetzen. Verwendet werden für die Erstgabe vor allem die Wirkstoffe Lorazepam, Clonazepam, und Diazepam, für die längere Anwendung als Infusion im Spital vor allem Midazolam. 


Wiederholte Gaben von Notfallmedikamenten?
Prinzipiell kann die Gabe eines Notfallmedikamentes bei Unwirksamkeit wiederholt werden. Dieses Vorgehen ist aber heikel und muss in Absprache mit dem Arzt individuell festgelegt werden. Hohe Dosen von Benzodiazepinen können die Atemtätigkeit dämpfen und schlimmstenfalls zu einem fatalen Atemstillstand führen, insbesondere bei wiederholten Gaben des Benzodiazepins innerhalb von einigen Minuten (die ungünstige Wirkung der einzelnen Gaben auf die Atmung kann sich dabei aufsummieren bis zum plötzlichen Atemstillstand). Auch kann eine Überdosierung zu einer Sedierung (Bewusstseinsdämpfung) bis hin zu einem Koma-ähnlichen Schlafzustand führen, und es kann zu einem unerwünschten Blutdruckabfall kommen. Besondere Vorsicht mit Zweitgaben ist geboten für Patienten, die ohnehin schon mit Benzodiazepinen oder anderen sedierenden Wirkstoffen als Epilepsiemedikamente oder als Psychopharmaka, dauerbehandelt sind. Generell wäre anzustreben, bei fortlaufendem Anfall (oder fortlaufender Anfallsserie) nach Erstgabe des Medikamentes unmittelbar Kontakt mit dem behandelnden Arzt aufzunehmen, um nach Schilderung der Situation über eine Zweitgabe zu entscheiden. Im Zweifelsfall wird man zusätzliche Benzodiazepingaben zurückstellen, bis eine Situation mit intensivmedizinischer ärztlicher Überwachung geschaffen ist (Rettungsarztwagen beziehungsweise Spital). Bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ergibt sich die Frage einer Zweitgabe vor Ort meist ohnehin nicht, da schon mit der Erstgabe der Rettungsarzt benachrichtigt werden wird. 


Wann dürfen Benzodiazepine nicht eingesetzt werden (sogenannte Kontraindikationen)?
Bei manchen Patienten bestehen Gesundheitsprobleme, die den akuten Einsatz von Benzodiazepinen ganz oder überwiegend verbieten. Dazu gehören: Allergien gegen solche Wirkstoffe, eine schwere Leberfunktionsstörung, eine schwere Atemstörung (respiratorische Insuffizienz), eine Myasthenie (Immunerkrankung mit ausgeprägter Muskelschwäche, auch der Atemmuskulatur), oder auch beim Patienten vorbekannte paradoxe Reaktionen auf Benzodiazepine (das heisst unerwünschte Erregungszustände statt «Beruhigung»). Ob eine solche Kontraindikation individuell vorliegt, muss ärztlicherseits vor Erstellen eines Notfallplans abgeklärt werden. Handelsübliche Alternativen zu Benzodiazepinen beschränken sich für die Situation der Ersten Hilfe weitgehend auf oral einzusetzende Wirkstoffe (zum Beispiel Levetiracetam), mit den bekannten Nachteilen des verzögerten Wirkungseintritts und der Notwendigkeit der aktiven Mitwirkung des Patienten bei der Einnahme. Es stehen zwar einige Epilepsiemedikamente auch zur intravenösen Gabe zur Verfügung (im Einzelnen: Levetiracetam, Brivaracetam, Valproat, Lacosamid, Phenytoin, Phenobarbital), diese Anwendung bleibt aber den ärztlichen Notfallbehandlern vorbehalten, ist also für die Erste-Hilfe-Situation nicht geeignet. 


Individualisierung der Therapie
Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass die medikamentöse Notfallbehandlung immer individualisiert, also in einer auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen Weise, geplant und festgelegt werden sollte. Zur besseren Transparenz und Nachvollziehbarkeit empfiehlt sich das Erstellen eines individuellen schriftlich fixierten Notfallschemas, hierfür stehen entsprechende Formblätter als Gerüste zur Verfügung. Im Notfallschema sollten auch die beobachtbaren Zeichen der patiententypischen Anfälle aufgeführt werden, damit die Situation, in der ein Medikament verabreicht werden soll, für jede betreuende Person klar identifizierbar ist. Für die erstmalige Festlegung eines Vorgehens sollte ein persönlicher Austausch zwischen dem Patienten, dem behandelnden Arzt, gegebenenfalls dem gesetzlichen Vertreter des Patienten oder seinen Angehörigen sowie gegebenenfalls dem betreuenden Personal erfolgen, damit ein der Krankheitssituation angemessenes und für alle Beteiligten praktizierbares Handlungsschema eingesetzt werden kann. 


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